Wie andere Wissenschaften auch, spricht „die“ Geschichtsdidaktik nur ungern über sich selbst und ihre Praxis. Im geschichtsdidaktischen Diskurs wird viel lieber von der epistemologischen, sozialen und politischen Situierung „der“ Geschichtsdidaktiker:innen, vom Erkenntnissubjekt und der Bedingtheit ihrer Wissensordnungen abstrahiert. Damit einher geht die Vorstellung, dass es etwas gibt, das sich als Kollektivsingular beobachten lässt: Nämlich „die“ Geschichtsdidaktik mit einem kohärenten theoretischen Inventar und einer einheitlichen disziplinären Gestalt.
Das Projekt „Disziplingeschichte(n) ‘der’ Geschichtsdidaktik“ folgt hingegen einem anderen Programm. Ich gehe zum einen davon aus, dass „die“ Geschichtsdidaktik immer auch anders war, nämlich plural und heterogen, veränderlich und ephemer, und zum anderen davon, dass „die“ Geschichtsdidaktik und ihre hegemonialen Wissensordnungen in umkämpften theoretischen „Verschriftungsspielen“ entstanden sind, deren Etablierung sich in konkreten sozialen Konstellationen vollzog. Diese geschichtsdidaktische Praxis erstreckte sich dabei raum-zeitlich, umfasste Akteur:innen, Materialitäten, Sinnformationen, war ein- und ausschließend und hatte somit einen hochgradig subjektivierenden Charakter.
Im Kontext einer reflexiven Disziplingeschichtsschreibung frage ich also nach dem Doing Geschichtsdidaktik, nach ihrer eigenen Praxis, den vielfältigen Praktiken sowie nach sozialen und politischen Konstellationen und nach den subjektivierenden Effekten dieser Praxis, die bis heute wirksame soziale und epistemologische Realitäten schuf.
Durch die Erhebung und Analyse von bislang unbearbeiteten Quellen möchte ich im Projekt aus historisch-epistemologischer und praxistheoretischer Perspektive das Feld „der“ Geschichtsdidaktik in den 1970er- und 1980er-Jahren des 20. Jahrhunderts, den Produktionsprozess geschichtsdidaktischen Wissens mitsamt ihrer Konstellationen und Wechselwirkungen im Kontext der Zeitschrift „Geschichtsdidaktik“ mit den Instrumenten der Wissenschaftsgeschichte und der historischen Epistemologie im Modus wissenschaftlicher Reflexivität disziplingeschichtlich neu vermessen, um so die Konstituierung und Etablierung „der“ Geschichtsdidaktik als Effekt einer eigenen sozialen Praxis zu analysieren.